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Bis am Ende einer zuerst gehen muss

29.09.2023 | „Für immer“ beim Filmfest Hamburg

Filmte auch viele ruhige Momente: Pia Lenz mit Dieter und Eva Simon

In „Für immer – Die Geschichte einer Liebe" hat die Hamburger Filmemacherin und Grimme-Preisträgerin Pia Lenz ein Ehepaar aus Harburg fünf Jahre lang in ihrem letzten Lebensabschnitt mit der Kamera begleitet. Ein Film über die Höhen und Tiefen eines gemeinsamen Lebens – bis einer am Ende zuerst gehen muss. Gerade noch beim Filmfest Hamburg und ab dem 9. November schon im Kino.

Im Jahr 2018 schaltete Filmemacherin Pia Lenz mit ihrer Produktionsfirma Pier53 eine Anzeige in mehreren Tages- und Wochenzeitungen: Gesucht wurde ein älteres Ehepaar, das schon sehr lange zusammen ist und bereit wäre, an einer Langzeitbeobachtung mitzuwirken. Kurze Zeit später meldete sich eine junge Frau und meinte, ihre Eltern würden sich perfekt eignen. Pia Lenz fuhr nach Harburg und traf hier zum ersten Mal Eva und Dieter Simon in ihrem Haus. „Beide waren zum Glück total aufgeschlossen für das Projekt, ein liebenswertes Paar – doch Eva war die treibende Kraft. Ich hatte bereits bei diesem ersten Kennenlerntreffen ein sehr gutes Gefühl", sagt die Hamburger Regisseurin. Und dieses Gefühl sollte sie nicht täuschen.

In den folgenden fünf Jahren besuchte sie das Ehepaar – beide bereits über 80 – viele Male, meistens mit ihrer Super-35mm-Kamera, manchmal ohne. Sie verbrachten ganze Tage gemeinsam, ein ums andere Mal übernachtete Lenz sogar im Haus von Dieter und Eva. Im ersten Jahr war sie häufig zu Besuch, später dann in größeren Abständen. Alle paar Monate setzte sie sich mit ihrer Editorin Ulrike Tortora zusammen, sichtete Material und wertete aus. „Statt mit Block und Stift Dinge zu notieren, beobachte ich lieber mit meiner Kamera", sagt Lenz. Wie auch schon bei ihrem mit dem Grimme-Preis ausgezeichneten Dokumentarfilm „Alles gut", drehte sie fast den kompletten Film alleine und mit kleiner Technik. So kann sie ihren Protagonist*innen sehr nahe kommen. Behutsam und genau fängt Lenz die Stimmung alltäglicher Szenen im Raum ein.

Im Laufe der Dreharbeiten vertraute Eva der Filmemacherin ihre Notizen und Tagebücher an, die sie seit der Teenagerzeit geführt hatte. „Am Anfang hatte ich sie nur beim Lesen gefilmt – denn ein Tagebuch ist ja etwas sehr Intimes. Doch irgendwann drückte sie mir all ihre Bücher in die Hand und sagte, ich könne die alle lesen. Dadurch hat sich mir eine völlig neue Welt aufgetan. Denn hier lernte ich nicht nur die junge Eva kennen, der ich mich an vielen Stellen sehr nahe fühlte, ich bekam auch schonungslos ehrliche Einblicke in das Innenleben dieser langen Beziehung", sagt Lenz. Einige Tagebucheinträge haben letztendlich auch den Weg in den fertigen Film gefunden. Als Vorlesestimme konnte Schauspielerin Nina Hoss gewonnen werden – auch Evas erste Wahl, da sie den Klang ihrer Stimme sehr mochte.

Eva hat ihr ganzes Leben lang gern geschrieben

Am Ende ist ein Dokumentarfilm über den letzten Lebensabschnitt im Leben eines Paares entstanden, das in den vorangegangenen Jahrzehnten durch gute und auch schlechte Zeiten gegangen, Krisen gemeistert hat und am Ende gar nicht mehr ohne einander leben konnte. „Am liebsten möchten Dieter und ich gemeinsam sterben, niemand von uns möchte alleine weiterleben. Und wenn das nicht geht, möchte ich zuerst sterben. Ich weiß, das ist sehr egoistisch", sagt Eva an einer Stelle des Films. Und doch steuert der Film auf ein unausweichliches Ende zu, an dem einer von beiden zuerst gehen muss. „Ich habe mit Eva, die irgendwann krank wurde, recht früh über das Sterben gesprochen. Und sie wollte, dass in dieser Zeit die Kamera dabei ist. Ich empfinde es als großes Privileg, diese Zeit mit Eva und Dieter erlebt haben zu dürfen. Die beiden haben meinen Blick auf das Alter und eine so lange Beziehung verändert", verrät Lenz.

Pia Lenz hat das Ehepaar über fünf Jahre lang immer wieder besucht

Ende letzten Jahres habe sie dann kurz vor Weihnachten mit Dieter und einer seiner Töchter gemeinsam den Film zu Hause geschaut. Dieter habe sich in dem Film wiedergefunden und sei glücklich mit dem Ergebnis. Mit viel Lachen aber auch Weinen. Ähnlich wird es wahrscheinlich den Filmfest Hamburg Besucher*innen gehen, die den Film am 1. Oktober bei seiner Hamburg-Premiere im Metropolis Kino (12 Uhr) sehen. Am 9. November startet „Für immer – Die Geschichte einer Liebe" dann in den deutschen Kinos. Ein Film, der zeigt, dass es oft auch einfach auf die kleinen Dinge ankommt.

Credits: Julia Sellmann/Henning Wirtz
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