25.04.2019 | Neuer FFHSH-Chef Helge Albers

Wir können nur lernen, wenn wir ausprobieren

Wacken-erprobt, "Sterne"-Fan und "Albers" im Namen: Nicht die schlechtesten Voraussetzungen, um die Geschicke der nördlichsten Filmförderung Deutschlands zu lenken. Seit dem 1. April ist Helge Albers neuer Chef der Filmförderung Hamburg Schleswig-Holstein. Warum zwei Herzen in seiner Brust schlagen und welche Schwerpunkte er in seiner Arbeit setzen will, verrät er hier:

Du bist nach Maria Köpf der zweite Produzent aus Berlin an der Spitze der FFHSH. Was wirst du anders machen?

Helge Albers Maria hat wirklich vieles sehr gut gemacht in den letzten drei Jahren – und darauf werde ich aufbauen. Jede Förderung ist in ein politisches Rahmensystem eingebettet, das man ein bisschen mit dicken Brettern vergleichen kann. Bei allen Entwicklungen und Erweiterungen in den nächsten Monaten haben wir also dicke Bretter zu bohren. Maria hat bereits damit angefangen, und ich werde weiter bohren.

Was zeichnet Hamburg und Schleswig-Holstein als Filmstandorte aus?

Helge Albers Ich bin gerade intensiv und mit Spaß dabei, die vielen Vorzüge der Standorte Stück für Stück kennenzulernen. Mir gefällt bereits jetzt die diverse und internationale Durchmischung von kreativem Potenzial in Hamburg sehr. Und auch Schleswig-Holstein ist mit seinen vielfältigen Locations zwischen den Meeren gerade für anstehende Serienprojekte sehr nachgefragt. Ich habe als Produzent im letzten Jahr selbst noch hier gedreht.

Was sind die Schwerpunkte deiner Arbeit in den nächsten Monaten?

Helge Albers Mein Fokus wird in den ersten Wochen erstmal darauf liegen zu schauen, wie wir als Team bei der FFHSH gut wachsen können – das bewegt mich momentan sehr. Nach außen hin ist natürlich die Serienförderung das nächste große Projekt, das absolute Priorität hat – denn wir sind einer der wenigen Standorte in Deutschland, der noch keine eigene Förderung in diesem Bereich hat. Außerdem spannend: alle Überschneidungen von Kino und neuen Technologien. Momentan sind viele Modelle, in denen wir uns bewegen, noch sehr in den 90ern und 2000ern verankert. Ich habe bereits ein paar Ideen und stehe mit Technologieunternehmen im Dialog von denen ich hoffe, dass sie sich in Hamburg ansiedeln werden. Sobald ich weiß, ob sie kommen, verrate ich, wer es ist (lacht). Eine weitere interessante Technologie ist meiner Meinung nach Blockchain, die sich mit der Übertragung von Werten beschäftigt. Wir müssen uns an diese neuen Technologien heranwagen. Denn wir können nur lernen, wenn wir ausprobieren. Und last but not least ist der Gamingbereich natürlich ein Bereich, der gut zu uns passt und der in Zukunft eine Rolle spielen wird. Denn dort geht es auch viel um Storytelling. Es gibt hier ein extremes Wachtumspotenzial und in Hamburg sind bereits viele entsprechende Firmen angesiedelt. Mit diesen Firmen sollten wir uns unterhalten und fragen, was wir beitragen können, um den Standort hier noch weiter zu stärken.
Helge Albers beim Setvisit des Films "Hallo Again", der im April in Hamburg gedreht wurde

Wie bist du zur Filmbranche gekommen?

Helge Albers Ich bin relativ früh und naiv in die Branche reingerutscht. Ich habe mein Abitur an einem Gymnasium für Wirtschaft, Recht und Sozialversicherung gemacht. Ich habe dann überlegt, was ich damit anfange soll, wollte jedoch keinesfalls BWL studieren. Durch Zufall bin ich dann auf Filmhochschulen gestoßen und habe den Produktionsstudiengang in Babelsberg für mich entdeckt. Ich war immer oft im Kino – nicht besessen, aber sehr neugierig. Und so war das für mich eine sehr charmante Kombination, mein seltsames Abitur mit etwas zu verbinden, was mir wirklich gefiel. Das Studium war für mich dann sehr hilfreich und prägend, da ich viel übers Kino, Filmgeschichte und Filmtheorie gelernt habe. Eine tolle Zeit, in der ich auch als Tonmann, Beleuchter und Ausstatter gearbeitet habe. Die produktionsspezifischen Sachen lernt man später eher in der Praxis.

Trailer - Full Metal Village

Du hast im Jahr 2006 den Dokumentarfilm Full Metal Village über Deutschlands bekanntestes Hardrock-Festival in Wacken gedreht. Hörst du selbst gerne Heavy Metal?

Helge Albers Ich war zwar schon zweimal dort, aber privat zieht es mich dann doch eher in andere musikalische Gefilde – irgendwo zwischen Black Rebel Motorcycle Club, den Sternen und elektronischer Musik, also ein recht breites Spektrum. Man wird mich aber bestimmt hin und wieder auch mal in der Elbphilharmonie antreffen.

Du warst bis vor kurzem noch als Produzent in Berlin tätig. Bist du da nach wie vor involviert?

Helge Albers Ein Produzentenherz lässt sich nicht so einfach töten (lacht). Meine Firma „Achtung Panda!" habe ich jedoch in gute Hände übergeben und ich werde mich jetzt voll und ganz den neuen Aufgaben widmen, die mich im Norden erwarten.

Inwieweit hilft dir deine Vergangenheit als Produzent bei deiner neuen Tätigkeit?

Helge Albers Meine Tätigkeit als Produzent ist sehr hilfreich für meinen neuen Job, da ich weiß, wie es auf der anderen Seite des Schreibtisches aussieht. In den letzten 20 Jahren habe ich viel Erfahrung als Fördernehmer gesammelt. Sowohl tolle, als auch schmerzhafte Erfahrungen, denn es wurden natürlich längst nicht alle Projekte gefördert. Ich kann also sehr gut einschätzen, was es heißt, mit einem Projekt abgelehnt zu werden und sich nicht gehört zu fühlen. Wir können natürlich nichts daran ändern, dass ein Großteil der Filme abgelehnt wird – das liegt in der Natur der Sache, das Geld ist begrenzt. Aber wir können schauen, ob wir die Förderprofile in Zukunft so beibehalten oder uns auf eine veränderte Marktsituation noch weiter einstellen.
Das erste Treffen der Länderförderer für den neuen FFHSH-Chef in Köln

Was hast du aus deiner Insolvenz gelernt?

Helge Albers Erstmal ist das natürlich eine bittere Erfahrung, wenn deine Firma nach 15 Jahren vor dem Aus steht. Man lernt jedoch viel übers Scheitern und die Haltbarkeit von Erfolgen. Und ich denke, das Lernen sollte beim Scheitern im Vordergrund stehen. Ich habe in dieser Phase viel darüber nachgedacht, ob ich nach 15 Jahren überhaupt weiter als Produzent tätig sein möchte. Und wenn ja, was man anders machen könnte. Ich habe mich am Ende dieses Prozesses sehr bewusst dafür entschieden, weiterzumachen und mit „Achtung Panda!" eine Firma gegründet, die einen starken Fokus auf chinesische Koproduktionen hat, die in Deutschland für den chinesischen Markt durchgeführt werden. Eher eine Nische, aber dadurch eben auch sehr gut bearbeitbar. Die Insolvenz und die daraus entstandene Neugründung war aber auch ein echter Befreiungsschlag für mich. Das Ende einer Firma ist nicht das Ende einer Karriere – man muss mit der Situation und mit allen Beteiligten nur gut umgehen.

Wie bist du dann letztendlich zur Filmförderung Hamburg Schleswig-Holstein gekommen?

Helge Albers Ich war in den letzten Jahren sehr aktiv im Verband Deutscher Filmproduzenten tätig, wo es ebenfalls spannende Weiterentwicklungen gab. Hier konnte ich meinen filmpolitischen Sinn schärfen. Zusätzlich bin ich seit gut zwölf Jahren bei der FFA in verschiedenen Gremien tätig, zum Beispiel in der Drehbuchförderung und Vergabekommission. Dort lernst du natürlich viel über Entscheidungsprozesse – Wissen also, das mir jetzt wieder zugutekommt. Und irgendwann wurde ich dann gefragt, ob ich mir vorstellen könnte mich auf den Chefposten der FFHSH zu bewerben. Da habe ich sofort „nein" gesagt (lacht). Ich dachte zu diesem Zeitpunkt, dass ich für immer Produzent bleiben würde. Nachdem ich dann jedoch noch ein paar Mal drüber geschlafen hatte, gefiel mir der Gedanke immer besser. Warum also sein Herz nicht teilen?
Für Helge Albers ist Fatih Akins "Der Goldene Handschuh" ein Hamburger Kinohighlight

Welcher ist dein Lieblings-Hamburg Film?

Helge Albers Das ist eine ziemlich schwierige Frage. Aber der Film, der mich in letzter Zeit am meisten beeindruckt hat, ist „Der Goldene Handschuh" von Fatih Akin. Ein Film, der einfach unglaublich gut gemacht ist und deutlich unter Wert wahrgenommen wurde. Ich habe selten Figuren gesehen, die mit so wenig Federstrich so tief und gut gezeichnet wurden. Ich habe jede der Frauen, die im Film vorkommen, noch vor Augen. Jede hat eine andere Sehnsucht und andere Träume. Sie sind sofort präsent. Der Film zeigt den Figuren gegenüber eine wahnsinnige Wärme, die in all den Besprechungen und Rezensionen, die ich gelesen habe, praktisch nicht vorkam. Es ging immer nur um die Gewaltdarstellung – die ich im Übrigen völlig angemessen finde. Sie ist sehr durchdacht, gerade im Vergleich zu vielen anderen Kinofilmen. Es wird nichts beschönigt, aber auch nichts ausgestellt. Fatih zeigt den kompletten Empathieverlust einer Gesellschaft im Nachkriegsdeutschland anhand einer Milieustudie aus seiner Heimat. Quasi ein Heimatfilm. Meiner Meinung nach einer seiner besten.
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