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Wenn ein Stoff über Nacht aktuell wird

26.01.2021 | Nordlichter-Produktion über Polizeialltag

In „Am Ende der Worte" schlüpft "Dark"-Star Lisa Vicari in die Rolle einer jungen Hamburger Polizistin, die zwischen ihren Idealen und dem Korpsgeist ihres Teams hin und hergerissen ist. Das Drama ist im Rahmen des Nachwuchsprogramms „Nordlichter" von NDR, FFHSH und nordmedia entstanden. Wir haben mit dem Produzenten Linus Günther (Klinkerfilm) über Dreharbeiten mit Corona-Auflagen, den Nordlichter-Bewerbungsprozess und die Aktualität des Filmstoffs gesprochen.

Welche Vorgaben hattet ihr 2019 bei eurer Nordlichterrunde?

Linus Günther: Wir waren die erste Nordlichter-Staffel, die keine thematischen Vorgaben hatte. Die einzige Vorgabe war, dass es ein Langfilm sein muss. Die Idee zum Stoff ist jedoch schon früher entstanden – 2017 während der G20-Ausschreitungen in Hamburg.

Wie ist das Team aus dir, Drehbuchautorin Lena Fakler und Regisseurin Nina Vukovic zusammengekommen?

Linus Günther: Lena und ich kannten uns bereits durch meine ehemalige Kollegin Sophia Ayissi Nsegue, die mit Lena an der Hamburg Media School zusammen in einem Jahrgang war. Nachdem ich mit Lena über das Projekt gesprochen hatte war sehr schnell klar, dass wir für einen Film um eine weibliche Polizistin auch eine weibliche Regisseurin brauchen. Und so haben wir ein ziemlich klassisches Regiecasting gemacht. Zu diesem Zeitpunkt wussten wir schon, dass der Film im Rahmen der „Nordlichter" gefördert wird.

Linus Günther hat "Am Ende der Worte" mit seiner Hamburger Firma Klinkerfilm produziert

Wie lief der Bewerbungsprozess bei den Nordlichtern ab?

Linus Günther: Wir haben uns mit einer Projektmappe beworben. Im nächsten Schritt wurden wir dann vom NDR zu einem Gespräch eingeladen – in unserem Fall war das Gespräch mit dem NDR-Redakteur Donald Kraemer, der den Film später auch mit sehr konstruktivem und wertvollem Feedback begleitet hat. Irgendwann sind innerhalb des Auswahlprozesses dann nur noch eine Handvoll Projekte übrig – und da konnte unser Drehbuch die Jury im Herbst 2019 zusammen mit wenigen anderen Stoffen am meisten überzeugen

Hauptdarstellerin Lisa Vicari ist spätestens seit Dark keine Unbekannte mehr. Warum war sie die Richtige für die Rolle?

Linus Günther: Lisa war uns durch die Serie "Dark" natürlich bereits bekannt, als sie zum Casting kam. Casterin Anna Kowalski, Nina und mich hat besonders ihre große schauspielerische Brandbreite beeindruckt. Sie kann sowohl sehr tough spielen, überzeugt aber auch in einfühlsamen Szenen. Beides Eigenschaften, die für die Rolle der jungen Polizistin Laura wichtig waren. Es war natürlich sehr cool von ihr, dass sie ein Nordlicht unterstützt, wenn man überlegt, was sie vorher bereits gemacht hat. Aber das Buch hatte ihr einfach sehr gut gefallen.

Warum ist „Am Ende der Worte" ein wichtiger Film? Gerade durch die Geschehnisse um Polizeigewalt im vergangenen Jahr ist er aktueller denn je.

Linus Günther: Das Thema „Polizeigewalt" ist ehrlich gesagt schon ein altes Thema, der Diskurs ist meistens jedoch nicht sehr differenziert. Wir wollten einen Film im Polizeimilieu machen, der sich größtmögliche Mühe gibt, den Polizeialltag in all seinen Facetten darzustellen: Manchmal ist es total langweilig, und innerhalb eines Augenblicks kann eine Situation eskalieren. Junge Leute werden in Extremsituationen gebracht, in denen sie Fehler begehen. Diese können sehr schwerwiegend sein, aber oft eben auch menschlich.

Wir haben das Buch dann ganz zufällig kurz nach dem Tod von George Floyd an einige Schauspieler*innen rausgeschickt. Und da kam dann logischerweise recht schnell die Rückmeldungen „Oh, das habt ihr aber schnell umgesetzt". Wir hätten 2019 natürlich niemals gedacht, dass der Stoff ein Jahr später auch in der Wahrnehmung der breiten Öffentlichkeit so an Aktualität gewinnt.

Hast du irgendetwas durch den Film bzw. die Geschichte gelernt?

Linus Günther: Robin Williams hat mal gesagt „Everyone you meet is fighting a battle you know nothing about. Be kind. Always". Schlechte Taten müssen nicht immer unbedingt von schlechten Menschen kommen. Das muss man sich glaube ich immer wieder vergegenwärtigen. Ich lese Artikel über Polizeigewalt und Gewalt gegen Polizisten jetzt auf jeden Fall anders und versuche nicht bereits im Vorwege Partei für eine Seite zu ergreifen.

Die Dreharbeiten fanden unter anderem auch im Flüchtlingsheim in Hamburg Niendorf statt. V.l.: Darstellerin Lisa Vicari, Nina Vukovic (Regie), Linus Günther und Darsteller Ludwig Trepte

Wie war es unter Corona-Maßnahmen zu drehen?

Linus Günther: Am Anfang der Dreharbeiten stand das Credo: „Mit uns zu drehen soll die sicherste Art und Weise sein, um es gesund bis zum Weihnachtsfest zu schaffen". (lacht) Um ehrlich zu sein war es schon echt schwierig. Aber zum Glück wurden wir durch die Nordlichter-Finanzierungspartner NDR, FFHSH und nordmedia stark unterstützt, um die Corona-Maßnahmen umsetzen zu können. Sonst wäre es nicht gegangen. So mussten unsere Schauspieler*innen zweimal die Woche einen PCR-Test machen – auch die Kompars*innen wurden einem Schnelltest unterzogen. Wenn morgens erstmal 50 Leute durchgetestet werden, ist das schon ein deutlicher Zeitfaktor.

Auch die Essensausgabe dauert viel länger, wenn kein offenes Buffet mehr erlaubt ist, an dem sich jede und jeder bedienen kann. Und wir haben im November gedreht, also ein Monat, in dem Erkältungen eigentlich ganz normal sind. Jetzt war es allerdings so, dass man bei dem kleinsten Schnupfen direkt zu Hause bleiben musste – es war wirklich jeden Tag ein Zittern. Gleichzeitig muss man sich bewusst machen, dass man froh sein kann, in diesen Zeiten überhaupt drehen zu dürfen.

Für eine kleine Schrecksekunde hatte auch die Quarantäne von Hauptdarstellerin Lisa gesorgt. Sie hatte direkt vor unserem Dreh in Schweden gedreht. Auf einmal kam dann der Erlass, dass man fünf Tage in Quarantäne müsse bei Rückreise aus dem Ausland, auch bei negativem Corona-Test. Wir mussten den Drehplan also anpassen und unser letzter Drehtag fiel jetzt auf den 22. Dezember. Mehr durfte nicht passieren, um nicht ins Weihnachtsfest zu rutschen. Aber es ist dann zum Glück alles gut gegangen und wir hatten keinen einzigen Corona-Fall am Set.

Schnappschuss bei den nächtlichen Dreharbeiten in Niendorf

Wo habt ihr in Hamburg überall gedreht und lief alles nach Plan?

Linus Günther: Viele Originaldrehorte mussten wir von unserer Liste streichen, da sie mit den Corona-Auflagen nicht vereinbar waren. Wir haben trotzdem jede Menge spannende Locations gefunden. So zum Beispiel den Altonaer Balkon, das Kraftwerk Bille, das Flüchtlingsheim Niendorf, die Clubs Südpol und Nochtspeicher, die Washington-Bar – und sogar das Haus meiner Eltern! Hier ist direkt der erste Tatort mit Film samt zwei Leichen. Meine Eltern waren während des Drehs aber zum Glück nicht zu Hause (lacht).

Credits: Alena Sternberg/Klinkerfilm
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