Berühmte Bauhaus-Szene von Erich Consemüller
15.08.2017 | Bauhaus damals und heute

Zeitlose Begeisterung

Als eine lange "Wanderung mit offenem Geist und großem Herzen" beschreibt Regisseur, Autor und Kameramann Niels Bolbrinker die Botschaft, die das Bauhaus vermittelte und zugleich die Grundlage seines Films darstellt.

Bauhaus damals, heute und in Zukunft

In dem Kino-Dokumentarfilm Bauhaus 100 stellt er aktuelle Projekte vor und erzählt von Künstlern, Wissenschaftlern und Architekten, die sich hundert Jahre nach dessen Gründung mit heutigen Fragestellungen auch auf das Bauhaus beziehen. Der Dokumentarfilm ist Teil des internationalen Crossmedia-Projektes Bauhaus Spirit anlässlich des Bauhaus-Jubiläums 2019.

Bauhaus damals, heute und in Zukunft

Für den Produzenten Thomas Tielsch von Filmtank war genau diese thematische Verknüpfung eines "enorm spannenden kunst- und zeitgeschichtlichen Stoffes mit den Fragen, die er für die Gegenwart aufwirft oder beantworten hilft", entscheidend. "Die Verbindung der hundert Jahre alten gesellschaftlichen Utopie des Bauhaus mit heutigen Protagonisten und Projekten führt uns nun mitten hinein in den Umgang mit hochaktuellen und gesellschaftlich brisanten Fragen", so Thomas Tielsch. "Wie wollen wir leben? Wo wollen wir hin? Sind auch heute Utopien möglich, da doch auch heute alles möglich zu sein scheint?"

So geht es in dem Film zum einen um die Lehre des Bauhauses und um die pädagogischen Ansätze damals und heute. Es geht um das heutige Verständnis vom Bauhaus-Erbe, aber auch um die aufwendig inszenierten bunten Bauhaus-Feste, deren Tradition seit 1997 in Dessau mit den Farbfesten fortgesetzt wird und die in dem jährlich am ehemaligen Black-Mountain-College stattfindenden Kunstfest rehappening ein Pendant gefunden haben. 

Zum anderen werden den realisierten aber auch gescheiterten Konzepten des Bauhauses beim sozialen Wohnungsbau aktuelle internationale Projekte des sozialen Bauens als Visionen für das 21. Jahrhundert gegenübergestellt. Dazu zählen die Arbeit des interdisziplinären Design- und Architekturkollektivs Urban-Think Tank ebenso wie die des chilenischen Architekten und Leiters der Architekturbienale 2016, Alejandro Aravena. Dieser bezieht bei seinen Bauvorhaben die künftigen Bewohner*innen und Nachbarschaften von Anfang an mit ein und entwickelt daraus simple und wegweisende Lösungen für komplexe Problemstellungen. Interviewsequenzen, Archivmaterial aus Fernsehinterviews zum Beispiel mit Walter Gropius, Filme über die beim Bauhaus entwickelte interdisziplinäre Ausbildung zum Designer oder zur Bühnenarbeit Oscar Schlemmers werden ebenso als Quellen genutzt wie filmische Dokumente über moderne Stadtplanung. 

Die zeitlichen und thematischen Ebenen werden zusammengehalten von einem ebenso kundigen wie kosmopolitischen Erzähler: Stephen Kovats, der zur Wende als junger kanadischer Architekt nach Dessau ans Bauhaus kam, dort Ausstellungen und Events organisierte, dann in Berlin die Transmediale leitete und heute an Kunst- und Technologieprojekten in der Dritten Welt arbeitet, wird durch den Film führen.

Bauhaus als Mindcraft-Welt

Wir wollen die Menschen, die inzwischen weder ins Kino gehen noch Fernsehen gucken, noch Bücher lesen, als Zielgruppe einbeziehen und sie über andere Medien und Plattformen ansprechen und begeistern.
Thomas Tielsch

Bauhaus meets Minecraft

Dieser Kinofilm ist Teil des internationalen Crossmedia-Projekts Bauhaus Spirit und wird 2018 in die deutschen Kinos kommen. Themen wie das Bauhaus haben für Thomas Tielsch nicht nur beim klassischen Kinogänger Relevanz. "Wir wollen die Menschen, die inzwischen weder ins Kino gehen noch Fernsehen gucken, noch Bücher lesen, als Zielgruppe einbeziehen und sie über andere Medien und Plattformen ansprechen und begeistern." Vor diesem Hintergrund hat Filmtank bereits 2012 sein Geschäftsfeld erweitert und die 2001 gegründete klassische Produktionsfirma für Dokumentarfilme in ein innovatives Produktionshaus für crossmediale Projekte gewandelt.

In der Berliner Niederlassung entwickelt ein Team aus Produzenten, Gamedesignern und Projektleitern auch Games, Apps, interaktive Graphic Novels, Web-Dokumentationen und andere interaktive Medien. Zusammen mit den Kinodokumentarfilmen aus Hamburg und der Ludwigsburger Niederlassung entstehen crossmediale Projekte mit großer formaler und inhaltlicher Bandbreite.

So konnte man die Expertise der verschiedenen Standorte auch für das aktuelle Bauhaus-Projekt nutzen. Bereits abgeschlossen ist der von der 2013 gegründeten gemeinnützigen Interactive Media Foundation mit Sitz in Berlin ausgeschriebene Wettbewerb "Baukraft". Kinder und Jugendliche waren aufgefordert, spielerisch eine Antwort auf die Frage zu geben, was aus den unbelebten Flächen der Berliner Gropiusstadt werden soll, einem Musterbeispiel für die problematischen Aspekte der modernen Stadt- und Siedlungskonzepte in der Nachfolge des Bauhaus. Eine virtuelle Kopie der Gropiusstadt wurde in dem Indie-Open-World-Spiel Minecraft aufgebaut und die Teilnehmer konnten darin fünf Gebiete nach ihren Vorstellungen gestalten.

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Das totale Tanz Theater

Zurzeit wird mit ansässigen Wohnungsbaugesellschaften geprüft, ob die virtuellen Visionen umsetzbar sind. Das Projekt, so Tielsch, sei so angelegt, dass es auch für andere Schauplätze jederzeit neu zum Leben erweckt werden kann. Die Idee für "Bauhaus meets Minecraft" entstand 2015 auf einem Gamejam der Biennale des bewegten Bildes in Frankfurt. Teams aus Designern, Programmierern und Storywritern entwickelten spielerische Ansätze, um ausgehend von den Ideen des Bauhaus Jugendliche zu mehr sozialem Engagement zu motivieren.

Das totale Tanz Theater

"Neben dem Wettbewerb, dem klassischen Kinofilm Bauhaus Einhundert und einem TV-Zweiteiler für arte wird es auch eine Virtual-Reality-Installation geben, die von den historischen immersiven Raumkonzepten der Bauhauskünstler ausgeht", sagt Thomas Tielsch. "Wir entwickeln zurzeit das "Totale Tanz Theater", eine interaktive Installation mit virtuellen auf Oskar Schlemmer basierenden Figurinen, in der die Mitspieler agieren und mit ihren virtuellen Gegenübern koagieren können", erläutert er. Es sollen eine Installation mit vier Mitspielern und Publikum sowie eine VR-Einzelanwendung und eine einfache 360-Grad- Anwendung entstehen. Namhafte Tänzer und international arbeitende Choreografen seien bereits bei dem Projekt dabei. Die Installation wird im Jubiläumsjahr durch internationale Museen und Ausstellungsräume reisen. Diese Aufarbeitung des Themas für verschiedene Plattformen und Zielgruppen führt auch wieder zurück zum Auswertungskonzept für den klassischen Kinofilm. Denn, so Tielsch: "Die Einbindung des Films in ein anspruchsvolles crossmediales Konzept wird Aufmerksamkeit in Zuschauergruppen bewirken, die normalerweise keinen Zugang zum Dokumentarfilm finden."

 

 

 

Erich Consemüller
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