Sie schuften Tag und Nacht auf dem Bau, fernab von ihrer Familie. Nordkoreanische Arbeiter werden vom Regime in die ganze Welt entsandt, um Devisen für das Atomprogramm ins Land zu spülen – unter unmenschlichen Bedingungen. Der Hamburger Produzent Tristan Chytroschek hat sich mit einem internationalen Team aus Journalisten in Russland, Polen und China auf die Suche nach den Dollar Heroes gemacht – das Ergebnis gibt es am 6. Februar zum ersten Mal auf ARTE zu sehen.
„Ich glaube, ein Großteil meiner grauen Haare ist mir während der Dreharbeiten zu Dollar Heroes gewachsen. Es ist der größte, schwierigste, gefährlichste und juristisch heikelste Film, den wir jemals produziert haben.", verrät Tristan Chytroschek. Der Hamburger Produzent (a&o buero) hat gemeinsam mit einem Team aus rund 20 Journalisten und Filmschaffenden mehr als drei Jahre an einer Dokumentation über Nordkoreas Dollar Heroes gearbeitet. So werden die nordkoreanischen Zwangsarbeiter genannt, die mit nur einem Ziel vom nordkoreanischen Regime in die Welt hinausgeschickt werden: Devisen für Kim Jong Uns Staatsapparat zu erwirtschaften – unter sklavenähnlichen Zuständen. „Sie bekommen nur einen Bruchteil ihres Lohns, der Rest geht nach Nordkorea. Damit noch etwas für sie und ihre Familien übrig bleibt, müssen die nordkoreanischen Arbeiter Tag und Nacht auf dem Bau stehen", sagt Tristan Chytroschek. Ein florierendes Geschäft, das Nordkorea laut Film zur weltgrößten illegalen Arbeitsagentur macht. Rund 100.000 Nordkoreaner arbeiten schätzungsweise im Ausland für Devisen – zu Löhnen, die kaum also solche zu bezeichnen sind und weit unter jeglichen Standards liegen.
Auf das Thema aufmerksam geworden ist Chytroschek 2013 durch einen kleinen Artikel in der New York Times. Kurze Zeit später wurde von der BBC gemeinsam mit der dänischen The Why Foundation ein Wettbewerb mit dem Thema „Why Slavery" ausgeschrieben. Der Hamburger Produzent, der selbst lange für die BBC in Großbritannien gearbeitet hat, bewarb sich mit den Dollar Heroes – und bekam den Zuschlag. Doch wie berichtet man am besten über ein Thema, über das eigentlich niemand sprechen will? „Ich kannte zum Glück eine Produzentin in Südkorea, die ich sofort angerufen habe, dann haben wir das Netz aus Mitarbeitern Stück für Stück weitergesponnen", sagt Chytroschek. Gedreht wurde hauptsächlich in Russland, Polen und China, also den Ländern, die dank boomender Bauindustrie als die größten Abnehmer für billige, nordkoreanische Arbeitskräfte gelten.
Gleich in Russland musste das Filmteam jedoch einen herben Rückschlag einstecken. Man hatte sich für die Dreharbeiten von Baustelle zu Baustelle durchgefragt und mit nordkoreanischen Arbeitern über ihre Lage gesprochen. „Eines Morgens stand dann die Polizei gemeinsam mit Beamten der Einwanderungsbehörde vor der Mietwohnung des Filmteams. Man sagte unseren Mitarbeitern, es sei eine Routinekontrolle – doch irgendwie mussten sie von unseren Recherchearbeiten Wind bekommen haben. Als ich in Hamburg den Anruf bekam, hab ich mir echt Sorgen gemacht. Wir haben dann die Botschaft angerufen. Nach vier Stunden war das Team wieder auf freiem Fuß. Ihnen wurde jedoch unmissverständlich nahegelegt, das Land unverzüglich zu verlassen", sagt Tristan Chytroschek. Im Anschluss musste schnellstmöglich ein neues Team mit neuer Coverstory zusammengetrommelt werden. Dabei wurde ein großes Augenmerk auf die Sicherheit gelegt. Das Team arbeitete nur mit verschlüsselten E-Mails, Whatsapp war komplett tabu. Selbst der Schnittrechner mit dem Videomaterial wurde vom Netz getrennt, damit er nicht Hackerangriffen zum Opfer fallen konnte.
Als das Team seine Recherche in Polen auf einer Werft fortsetzte, wurden alle Daten von den Handys gelöscht, niemand hatte private Dokumente wie Pass oder Führerschein dabei. „Bevor wir auf das Werftgelände gegangen sind, haben wir der Produktion in Hamburg Bescheid gesagt und uns dort abgemeldet. Hätten wir uns nach einer verabredeten Zeit nicht zurückgemeldet, wären unsere Leute in Deutschland tätig geworden und hätten jemanden losgeschickt, um uns zu suchen", sagt Tristan Chytroschek. Vor dem Werftbesuch habe man sich sogar mit Werftarbeitern aus Hamburg zusammengesetzt, um eine wasserdichte Coverstory für den Besuch zu entwerfen. Gedreht wurde meistens mit winzig kleinen Kameras in Knopfgröße, die dennoch in HD-Qualität aufnehmen. Rund 90 Prozent des gedrehten Materials konnten jedoch am Ende gar nicht verwendet werden, um die nordkoreanischen Arbeiter und andere Beteiligte nicht zu gefährden. „Wir hatten drei Anwalt-Teams und mehrere Nordkorea-Experten, die uns während der Arbeiten beraten haben. So haben wir beispielsweise herausgefunden, dass selbst verfremdete Stimmen durch den Dialekt zurückverfolgt werden können. Deshalb mussten wir koreanische Sprecher anheuern, welche die Stimmen unserer Interviewpartner nachgesprochen haben", sagt Chytroschek.
Doch warum fliehen die Arbeiter nicht einfach aus den Devisenländern und setzen sich ab? Nordkorea entsendet in der Regel nur Männer mit Familie und Kindern ins Ausland. Sollte jemand versuchen sich abzusetzen, muss die Familie dafür zahlen. Kontakt haben die Arbeiter zu ihren Lieben übrigens nicht, denn Anrufe werden nicht nach Nordkorea durchgestellt. Die Männer leben in den Devisenländern isoliert in eigenen Baracken, weitestgehend abgeschirmt von der Außenwelt. „Viele der Schicksale gehen einem sehr nahe. Als wir uns mit einem der Arbeiter getroffen hatten, ging gerade eine Familie mit Kind an uns vorbei. Da fragte der Nordkoreaner, warum er nicht so leben könne, was er falsch gemacht habe. Da muss man schon erstmal schlucken", sagt Chytroschek.
Ein Film, der berührt und auf beeindruckende Weise aufdeckt, wie Nordkorea auf dem Rücken seiner Landsleute mit allen Mitteln sein Militär finanziert. Das Ergebnis der letzten drei Jahre gibt es am 6. Februar zum ersten Mal im Abendprogramm auf ARTE (22 Uhr) zu sehen. Bis zum 8. März ist die investigative Dokumentation in der Mediathek verfügbar.