MOIN Filmförderung Hamburg Schlwesig-Holstein

Pandemiekino

26.02.2021 | Schulterschluss der Lichtspielhäuser im Norden

Das Hamburg der 70er in Roland Klicks "Supermarkt"

Gemeinsam gegen die Corona-Pandemie: Am kommenden Wochenende (27. + 28. Februar) schließen sich die Hamburger Arthouse- und Stadtteilkinos für das Online-Event „Eine Stadt sieht einen Film" zusammen und zeigen den 70er Jahre Hamburg-Klassiker „Supermarkt" von Roland Klick samt großem Rahmenprogramm. In Schleswig-Holstein hat sich mit dem Kinoverbund-SH sogar ein Verein gegründet, der die Kräfte der Kinos in gemeinsamen Aktionen bündelt und bundesweit ein Signal setzt.

17 Kinos, zwei Tage, ein Film: Am 27. und 28. Februar steht die Hamburger Kinowelt ganz im Zeichen des mehrfach ausgezeichneten Filmemacher-Urgesteins Roland Klick. Sein Hamburger Milieu-Thriller "Supermarkt" um den Kleinkriminellen Willi wird kostenlos im Rahmen des Events „Eine Stadt sieht einen Film" über die Websites der teilnehmenden Kinos sowie die offizielle Eventseite streambar sein. Ein Zeitdokument der 70er Jahre, das bisher nur eingefleischten Fans ein Begriff sein dürfte und jetzt einem breiten Publikum zugänglich gemacht wird. „Ich selbst habe den Film auch erst sehr spät entdeckt. Ein Stammgast machte mich dann im Jahr 2019 darauf aufmerksam, dass Roland Klick aktuell in Hamburg wohnt – und so haben wir ihn im gleichen Jahr noch zu einer Vorstellung von 'Supermarkt' ins Zeise eingeladen. Er hat sogar seinen eigenen Tisch bekommen und durfte rauchen", erinnert sich Zeise-Geschäftsführer und Organisator Matthias Elwardt und lacht. Dem Publikum haben Klick und sein Film damals so gut gefallen, dass mit "Deadlock" und "White Star" noch zwei weitere Filme des heute 81-Jährigen als Sondervorstellung folgten. Das war vor der Corona-Pandemie.

Hauptdarsteller Charly Wierzejewski als Willi

Die letzte Ausgabe von „Eine Stadt sieht einen Film" fand im Oktober 2020 zwischen den zwei Lockdowns mit begrenztem Sitzangebot und Hygienekonzept in den Kinos statt. Gezeigt wurde Fatih Akins „Kurz und schmerzlos". Und bereits im Dezember kam wegen der Pandemie die Idee für ein Online-Format auf. Ein Zeichen der Hamburger Arthouse- und Stadtteilkinos, das die Lichtspielhäuser trotz Schließung in die Öffentlichkeit hebt: „Wir hatten einen straffen Zeitplan und haben im Januar 2021 mit der Arbeit begonnen und alle Beteiligten kontaktiert. Die beiden Hauptdarsteller*innen und Regisseur Klick haben auch sofort zugesagt", verrät Organisatorin Manja Malz (Metropolis Kino). Matthias Elwardt ergänzt: „Die Online-Ausgabe war eine tolle Möglichkeit Roland Klick in das Format mit aufzunehmen. Denn bei der physischen Version voraussichtlich im Herbst 2021 soll dieses Mal eine Regisseurin gewürdigt werden – und da wäre Klick dann rausgefallen."

Drehorttour zu "Kurz und schmerzlos" mit u.a. Fatih Akin und Adam Bousdoukos im Oktober 2020

Das Besondere an „Eine Stadt sieht einen Film" sind neben der Filmauswahl eigentlich immer die vielen Events drum herum – allen voran die Gespräche mit Cast und Crew nach den Vorstellungen sowie die Drehorttour an die Original-Schauplätze des jeweiligen Films. Während Corona natürlich unmöglich, doch man wusste sich zu helfen: Ein Großteil der Veranstaltungen wurde vorproduziert und ist dann am 27. und 28. ebenfalls im Stream abrufbar. Ob spannende Gespräche mit Darstellerin Eva Mattes und Regisseur Roland Klick, oder eine Drehorttour mit Hauptdarsteller Charly Wierzejewski – die Zuschauer*innen können sich auf ein prall gefülltes Onlinepaket inklusive des jetzt schon zugänglichen Filmquiz und einer Online-Fotoausstellung auf filmtourismus.de freuen.

Die teilnehmenden Kinos

Zu den 17 teilnehmenden Stadtteil- und Arthousekinos gehören das 3001, Abaton, Alabama, B-Movie, Blankeneser Kino, Elbe Kino, filmRaum, fux Lichtspiele, Koralle, Lichtmeß, Magazin, Metropolis, Passage, Savoy, Schanzenkino 73, Studio und die Zeise Kinos.

Die „Eine Stadt sieht einen Film Online-Edition" wird unterstützt von der Filmförderung Hamburg Schleswig-Holstein, der Streamingplattform Pantaflix und der Filmgalerie 451.

„Alle vorproduzierten Clips wurden natürlich unter Einhaltung der Corona-Vorschriften gedreht. Ich musste mich Anfang des Jahres erstmal schlau machen, was alles zu beachten ist und bin nun sehr glücklich, dass so schöne Videodokumente zu diesem Film entstanden sind", sagt Manja Malz. Und man merkt im positiven Sinne, dass das Event nicht von einer Agentur, sondern aus den Hamburger Kinos heraus entstanden ist. So wird die Drehorttour von Mitarbeiter*innen des B-Movies und Alabama Kinos gemacht, die selbst Riesenfans von Klicks Filmen sind. Matthias Elwardt und "1 Stadt sieht 1 Film"-Moderatorin Lili Hartwig haben wiederum die Interviews mit Cast und Crew selbst geführt. Überall blitzt die Leidenschaft für das Event und die Kinokultur im Allgemeinen auf.

Die in diesem Jahr vorproduzierte Locationtour bei den Dreharbeiten im alten Elbtunnel
Rund 47 Jahre nach den Dreharbeiten besucht Hauptdarsteller Charly Wierzejewski erneut einige der Drehorte von "Supermarkt"

Viel Leidenschaft konnte man in den letzten Monaten auch in Schleswig-Holstein beobachten. Dort hat sich im Juni 2020 trotz oder vielmehr gerade wegen der aktuellen Lage der Kinoverbund Schleswig-Holstein gegründet. Ein Zusammenschluss aus über 50 Kinostandorten aus Schleswig-Holstein, der in dieser Form bundesweit einmalig ist. „Eine Krise schafft auch Chancen. Durch den Kinoverbund rücken die Kinos noch enger zusammen und werden von der Öffentlichkeit und Politik bei ihren Anliegen noch besser wahrgenommen. Der Verein fungiert als allgemeiner Ansprechpartner, was bei einem Flächenland wie Schleswig-Holstein ein großer Vorteil ist", sagt Dennis T. Jahnke, der dem Vorstand des neuen Vereins angehört und gemeinsam mit Matthias Ehr das Studio Filmtheater am Dreiecksplatz in Kiel leitet. Das erste gemeinsame Event des Kinoverbunds ließ dann auch nicht lange auf sich warten: Der Kinoaktionstag im Oktober fand ein breites Medienecho und war mit zahlreichen ausverkauften Sondervorstellungen und Veranstaltungen sehr erfolgreich.

Die Geschäftsführer des Studio Filmtheaters in Kiel: Matthias Ehr (l.) und Dennis T. Jahnke
Treffen des Kinoverbunds-SH mit Ministerpräsident Daniel Günther (l.) im vergangenen Jahr

Doch all die positiven Meldungen können natürlich nicht darüber hinwegtäuschen, dass es im letzten und auch in diesem Jahr starke Umsatzeinbuße gibt. Eine vom Kinoverbund in Auftrag gegebene Prognose geht für das laufende Jahr in Schleswig-Holstein von einem Umsatzminus von rund 50 Prozent aus. „Und das ist noch ein positives Szenario bei einer Öffnung im April. Wenn wir uns den Verlauf der letzten Tage und Wochen ansehen, könnte es eher Richtung 70 Prozent Einbuße gehen", sagt Jahnke. Auch 2021 wird für die Kinos somit kein leichtes Jahr. Im Studio Filmtheater ist momentan trotzdem einiges los: Kinosaal 3 wurde komplett renoviert, inklusive neuer Tonanlage. Und in diesen Tagen wird das Foyer neu gestrichen – ganz ohne auf den Publikumsverkehr achten zu müssen. Möglich macht dies das Zukunftsprogramm Kino von Bund und Filmförderanstalt. „Bei Renovierungsarbeiten erhalten wir Förderung von bis zu 80 Prozent – das ist ein wahnsinnig gutes Signal aus der Politik. Es wäre fatal, wenn jetzt alles stillstehen würde. Ohne neue Technik – wir machen gerade auch Website und den digitalen Ticketverkauf neu – würde es die Kinos vielleicht in zwei bis drei Jahren erwischen. Wir machen uns also gerade fit für die Zukunft", so Jahnke.

Saal 3 im Studio Filmtheater im September 2020 nach der Renovierung
Kinosaal 3 während der Renovierungsarbeiten 2020

Auch wenn ein Eröffnungstermin aktuell noch nicht absehbar ist, freuen die Kinobetreiber sich schon darauf, bald wieder tolle Stoffe auf der großen Leinwand zeigen zu können: „Meine Highlights für die nächsten Monate sind Oscar-Anwärter 'Nomadland' von Chloé Zhao und 'Der Rausch' von Thomas Vinterberg, der seine Uraufführung eigentlich 2020 in Cannes haben sollte", sagt Matthias Elwardt. Jahnke freut sich hingegen besonders auf den neuen James Bond sowie die Indiefilme "The Father" und "Ammonite". Und bei einem sind sich alle einig: Die Streaming-Plattformen werden das Kinoerlebnis nie ersetzen können.

Dieser Meinung sind wir auch – und drücken die Daumen, dass die Kinosäle sich bald wieder öffnen.

Credits: Stills Supermarkt: Filmgalerie 451 Porträt Matthias Elwardt: Heike Blenk Foto Kurz und Schmerzlos: Annika Boerm Kinosaal 3 Studio Filmtheater: Phillip Tonn
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