MOIN Filmförderung Hamburg Schlwesig-Holstein

Exotischer Norden

30.09.2021 | Drehorte von „Blutsauger“ und „Niemand ist bei den Kälbern“

Regisseur Julian Radlmaier (l.) auf einer Hofanlage mit Herrenhaus in der Nähe von Eckernförde bei den Dreharbeiten zu "Blutsauger"

Die beiden Filme „Blutsauger" von Julian Radlmaier und „Niemand ist bei den Kälbern" von Sabrina Sarabi sind in diesem Jahr beim Filmfest Hamburg im Programm zu sehen. Auch wenn die Filme unterschiedlicher nicht sein könnten, haben beide eines gemeinsam: Sie wurden zum Großteil in Schleswig-Holstein gedreht und zeigen die Möglichkeiten, die das nördlichste Bundesland für Filmemacher*innen bietet.

Wenn Saskia Rosendahl in einer Szene von „Niemand ist bei den Kälbern" mit ihrem Auto eine kleine Ewigkeit über Landstraßen fährt, wird sich jede*r Norddeutsche sofort heimisch fühlen. Da zeigt sich durch das Seitenfenster endlose Ackerweite, flach, ein bisschen grün, Windräder, kaum Gegenverkehr – dazu noch Autoradio und etwas Sonnenschein. Insgesamt 16 Tage hat Regisseurin Sabrina Sarabi ihr Drama in Schleswig-Holstein gedreht. Ein Film, der nach einer Romanvorlage von Alina Herbing die Monotonie des Landlebens aus der Sicht einer 24-Jährigen zeigt. Produzent ist die Hamburger Firma Weydemann Bros., die mit dem Film „Systemsprenger" zuletzt sehr erfolgreich war.

Hauptdarstellerin Saskia Rosendahl wurde in Locarno bereits als beste Darstellerin in der Nachwuchssektion ausgezeichnet

Bereits drei Monate vor Drehbeginn war Szenenbildnerin Susanna Haneder als Locationscout unterwegs und hat sich passende Drehorte angeschaut. Östlich von Eutin ist sie dann fündig geworden. Hier wurden zahlreiche Ackerszenen mit landwirtschaftlichen Geräten und Windrädern gedreht. Hier steht eine Scheune, die im Film noch wichtig werden soll – hier entstanden die Außenaufnahmen des Hofs der Hauptprotagonist*innen sowie mehrere Straßenaufnahmen.

Setvisit im vergangenen Jahr auf einem Bauernhof in der Nähe von Eutin

„Ich hatte im Vorwege während des Lockdowns schon ein wenig bei Google Maps nach Orten recherchiert. Im Mai 2020 bin ich dann auf Locationsuche nach Mecklenburg-Vorpommern und Schleswig-Holstein gefahren, wo der Film auch letztendlich entstanden ist", sagt Haneder. Für ihre Schleswig-Holstein Tour hat sie sich Hilfe beim Vater einer Freundin geholt, der ebenfalls Landwirt ist: „Wenn mir eine Location gefallen hat, hat er den Erstkontakt für mich hergestellt, quasi von Landwirt zu Landwirt", verrät sie und lacht. Es konnte mit viel von dem gearbeitet werden, was schon vor Ort war. Lediglich eine alte DDR-Bushaltestelle, die sie in Mecklenburg-Vorpommern entdeckt hatte, wurde für die Dreharbeiten ins nördlichste Bundesland gebracht.

Susanna Haneder in der Filmscheune während einer Drehpause

Bei den Dreharbeiten in der Natur war das Team zumeist ungestört. Somit wurden auch wenig Anwohner*innen als Statist*innen eingebunden – nur die Freiwillige Feuerwehr spielte bei einem Brand im Film sich selbst. „Durch diese fast schon urlaubshafte Stimmung haben wir uns während der Dreharbeiten sehr wohl gefühlt. Schleswig-Holstein schmeichelt der Seele", sagt Susanna Haneder mit einem Augenzwinkern.

Vampirwelt an der Ostee

Ein bisschen blutiger geht es in Julian Radlmaiers Vampirkomödie „Blutsauger" zu, die ihre Premiere in diesem Jahr auf der Berlinale feierte. Der Regisseur und Drehbuchautor aus Berlin suchte auf den Spuren von Nosferatu an der Ostseeküste nach geeignet Drehorten und verbrachte am Ende 25 Drehtage in Schleswig-Holstein. „Gemeinsam mit Kameramann Markus Koop bin ich im Sommer 2018 die Küste hoch und runtergefahren – und in der Nähe von Eckernförde haben wir dann unser Hauptmotiv, ein Herrenhaus mit Hofanlage, gefunden. Das war ein totaler Glücksgriff!", sagt Radlmaier. Vieles an der Inneneinrichtung konnte das Team in den Film übernehmen, der im Jahr 1928 spielt. „Wirh haben absichtlich ein paar modernere Requisiten mit ins Haus reingebracht, um die perfekte historische Kulisse etwas aufzubrechen" ergänzt der Regisseur und lacht. Die Familie, der das Gut gehört, sei sehr filmbegeistert gewesen und lebte während der Dreharbeiten auch weiterhin vor Ort. „Im Gegensatz zu Großstädten wie Berlin war es sehr einfach, die Drehgenehmigungen für unsere Locations zu bekommen – das ist wirklich kein Vergleich", sagt Produzent Kirill Krasovski, der den Film mit seiner Firma Faktura Film produziert hat. Und dabei hat das Team längst nicht nur auf dem Gut gedreht. Im Film sind auch kleine Buchten und Steilküsten an der Ostsee zu sehen, außerdem wurde eine Dünenlandschaft in St. Peter-Ording zum Motiv.

Dreharbeiten in kleinen Buchten an der Ostsee

Im Film verschmelzen die Ostsee, das Herrenhaus und St. Peter-Ording zu einer einzigen Landschaft. „Ich fand es toll, dass es an der Ostsee viele kleine Buchten statt langer Strände gibt. Das hat gut in unser Konzept gepasst. Und die Dünen in St. Peter-Ording hatten etwas Unheimliches, das wir für eine Vampirjagd im Film sehr gut nutzen konnten. Da war fast wie eine Theaterbühne", sagt Radlmaier. Doch es waren auch immer wieder die unscheinbaren Orte, die den Regisseur fasziniert haben. So zum Beispiel der Stichweg durch einen Acker, an dessen Ende man das Meer sehen konnte. Per Zufall fand er die Location in der Nähe von Schwedeneck. „Ich liebe es, wenn das Kleine auf einmal groß wird. Ein magischer Moment", sagt Radlmaier.

Vampire an der Ostsee - hier mit Hauptdarstellerin Lilith Stangenberg
Julian Radlmaier mit letzten Anweisungen für den Cast mit u.a. Corinna Harfouch (l.) auf dem Herrengut

Zahlreiche Anwohner*innen und Motivgeber*innen haben es übrigens in den Film geschafft – rund 40 Statisten aus Eckernförde und Umgebung sind zu sehen. So spielt der Motivgeber des Guts etwa in einer Szene einen Golfspieler.

Stimmen denn eigentlich die Klischees über die etwas kühlen und unnahbaren Fischköppe aus dem Norden? „Alle Leute, mit denen wir vor Ort zu tun hatten, waren sehr redselig und offen. Ich kann das also definitiv nicht bestätigen", so Radlmaier. Für ihn hatte Schleswig-Holstein mit seiner Landschaft und den Küsten sogar ein wenig was Exotisches. Dafür muss man allerdings wissen, dass der Regisseur gebürtig aus Nürnberg kommt. Trotzdem ein schöner Gedanke.

Credits: Niemand ist bei den Kälbern: Stills: Weydemann Bros./Max Preiss Blutsauger: Stills: Grandfilm Setfotos: Nuno Barroso
Beitrag teilen
EN