MOIN Filmförderung Hamburg Schlwesig-Holstein

Zwischen Dokumentarfilm und Crossmedia-Projekt

30.09.2021 | 20 Jahre Filmtank Hamburg

Feiert am 1. Oktober beim Filmfest Hamburg Premiere: der Kinofilm „Willi und die Wunderkröte“, der Teil des crossmedialen Projekts „Frogs and Friends“ ist

Nach preisgekrönten Dokumentarfilmen wie „Die Frau mit den fünf Elefanten", und „Das Venedig Prinzip" realisierte die Produktionsfirma Filmtank zum 100jährigen Bauhaus-Jubiläum 2019 das Multimedia-Projekt „Bauhaus Spirit", das einen Kinofilm, eine VR-Anwendung, ein Game und ein TV-Format umfasste. Dieses Jahr feiert Filmtank sein 20jähriges Bestehen und im Rahmen des Filmfest Hamburg die Premiere des Kinofilms „Willi und die Wunderkröte".

Der Dokumentarfilmer Thomas Tielsch war im Begriff bei der Hamburger Next Film von Laurens Straub eine Dokumentarfilmabteilung aufzubauen: Doch als die Nextfilm 1999 nach Berlin umzog, wollte Tielsch nicht den Standort wechseln. So gründete er mitten im Hamburger Schanzenviertel die Filmtank GmbH mit Hilfe der befreundeten Produzenten der Hamburger Wüste Film, die als strategischer Partner mit an Bord kamen. Seit der Gründung kurz vor der Berlinale 2001 bis heute sind in Hamburg rund 60 überwiegend abendfüllende Dokumentarfilme entstanden, hinzu kommen die TV-Formate, die bei Filmtank Berlin und in der Stuttgarter Niederlassung produziert wurden. „Der Gründungsgedanke war von Anfang an, sich international aufzustellen; schon der allgemein verständliche und aussprechbare Firmenname spiegelt das wider." 2004 kam in Stuttgart eine Niederlassung hinzu, 2007 folgte Berlin. Die Berliner Produzenten Saskia Kress und Michael Grotenhoff sind Mitgesellschafter der Filmtank GmbH. Überhaupt liegt in Berlin inzwischen der größere Part von Filmtank , da dort nun auch die gesamten administrativen Aufgaben erledigt werden. Schwerpunkt in Berlin ist der Bereich der crossmedialen und interaktiven Projekte, die einen immensen Aufwand erfordern, und zu denen Filmtank Hamburg oftmals den Kinofilm beisteuert.

Durch seine Dokumentarfilm-Erfolge hat sich Filmtank auch international einen guten Ruf erworben, weiteres Renommee kam mit dem ersten großen und preisgekrönten Crossmedia-Projekt „Netwars – Out of CTRL". Die Web-Doku zum Cyber War hatte über eine Million Klicks und die interaktive Graphic Novel wurde weltweit verkauft. „Dieses Projekt beschäftigte sich schon vor Snowden mit den Überwachungstechniken im Netz, mit Hackerangriffen auf die Infrastruktur und all dem, was bis heute aktuell ist. Mit diesem Projekt haben wir uns damals schon international in die erste Reihe katapultiert", so Tielsch. Erfolgreich war auch das crossmediale Bauhaus-Projekt von Filmtank. „Bauhaus ist Weltkulturerbe und vielleicht der wichtigste deutsche Kulturexport des 20. Jahrhunderts", erklärt Thomas Tielsch. Während der Kinofilm „Vom Bauen der Zukunft –100 Jahre Bauhaus" das klassische Arthousepublikum erreichte, zielen die Webformate auf Gruppen, die im Netz unterwegs sind. Moderne Kunstformen wie Installationen oder virtuelle Räume sind im Bauhaus bereits ausprobiert worden: „Am Bauhaus gab es schon in den 20er Jahren erste Konzepte zum Immersiven wie das „Totale Theater" von Oskar Schlemmer und Walter Gropius und den „Raum der Gegenwart" von László Moholy-Nagy. Wir entwickeln solche Konzepte mit den heutigen interaktiven Technologien weiter."

Teil des Bauhaus-Projekts: die VR Installation zum Totalen Theater.

Bei Filmtank werden heute keine reinen Fernsehformate mehr, sondern nur noch Kinofilme und crossmediale Projekte produziert. „Wir haben vor gut zehn Jahren, als absehbar war, dass das auf Kino und TV basierende Geschäftsmodell für uns nicht mehr lange funktionieren wird, begonnen uns auf crossmediale Projekte und Kinofilme zu konzentrieren. Dass wir beides können - Kino und interaktive Verfahren - und in gemeinsamen Projekten thematisch verknüpfen, ist sicher ein Alleinstellungsmerkmal von Filmtank", sagt Tielsch. Da es für die sehr aufwendigen crossmedialen Projekte kaum öffentliche Mittel gibt, wurde als Koproduktionspartnerin die gemeinnützige GmbH Interactive Media Foundation gegründet. „Da wir uns mit gesellschaftlich relevanten Themen befassen, ist es auch möglich, solche Projekte privat mitzufinanzieren." Der Bauhaus-Film ist ebenso wie der Kinderfilm „Willi und die Wunderkröte" eine Koproduktion zwischen der Filmtank GmbH und der IMF, letzterer ohne Senderbeteiligung. Mit dabei sind einige Förderungen, u.a. auch die MOIN Filmförderung.

Weltweit bei Festivals und im Kino ein Erfolg: der Dokumentarfilm „Die Frau mit den fünf Elefanten“ über die russische Übersetzerin Svetlana Geier.

Auch der Film „Willi und die Wunderkröte", in dem Willi Weitzel („Willi will's wissen") in die vielgestaltige, farbige und immer wieder erstaunliche Welt der Amphibien eintaucht, ist eingebettet in ein mehrdimensionales, langlaufendes Projekt. Zusammen mit der Initiative „Frogs and Friends" werden etwa Installationen für Zoos und Naturkundemuseen entwickelt, um einen Zugang zu diesen Tieren zu ermöglichen: „Frösche sind zwar superspannend, aber was sie alles können, zeigen sie nicht so ohne weiteres. Und das Amphibiensterben hat längst die Ausmaße des Sauriersterbens angenommen", erklärt Tielsch. „Wir wollen mit unseren Projekten Menschen für wichtige Anliegen erreichen und in diesem Fall für das drohende Artensterben sensibilisieren. Gerade über interaktive Formate lassen sich wunderbar Horizonte öffnen und Dinge erfahrbarer machen."

Großen Erfolg hat Filmtank aktuell auch mit dem Projekt „Myriad. Where we connect", das in unterschiedlichen Formaten und Erzählweisen globalen Migrationsrouten ausgewählter Tiere folgt. Auf der Biennale in Venedig vor einigen Wochen und parallel in weiteren Großstädten der Welt feierte die immersive VR-Installation Premiere.

In "Willi und die Wunderkröte" kämpfen die kleinen Anwohner*innen für den Lebensraum der Kröten

Der Kinofilm behält bei Filmtank weiterhin seinen festen Platz, auch wenn der Markt für die Dokumentarfilme nicht einfacher geworden ist. Es gibt nur wenige Kinos, die Dokumentarfilme zum Start einsetzen. Und wie die Entwicklung in diesem Markt weitergeht, wisse man nicht. Doch im Unterschied zu den Anfängen von Filmtank, als der Dokumentarfilm im Kino ein reines Nischendasein führte, genießt er inzwischen ein höheres Ansehen. Jedes Jahr reüssieren einige Dokumentarfilme erfolgreich im Kino. Für das Gros der gestarteten Dokumentarfilme gilt das nicht, sie werden so gut wie kaum wahrgenommen. Um solchen Dokumentarfilmen zu mehr Sichtbarkeit zu verhelfen, müsse in Zeiten veränderter Mediennutzung auch über die Sperrfristenregelung neu nachgedacht werden.

Credits: Fotos: Filmtank Porträt Tielsch: Sabine Hackenberg Proträt Grotenhoff: Kopf und Kragen
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