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Reemtsma-Geiseldrama von Hans-Christian Schmid

28.09.2022 | Kinostart „Wir sind dann wohl die Angehörigen“

Nachwuchsdarsteller Claude Heinrich spielt Johann Scheerer

Ein dunkles Kapitel der Hamburger Kriminalgeschichte: In „Wir sind dann wohl die Angehörigen" zeichnet Regisseur Hans-Christian Schmid die Geiselnahme des Hamburgers Jan Philipp Reemtsma aus der Sicht seines damals 13-jährigen Sohnes nach. Das intensive Drama nach dem gleichnamigen Roman von Johann Scheerer feierte beim Filmfest Hamburg 2022 seine Weltpremiere als Eröffnungsfilm und startet am 3. November im Kino.

Das Telefon ist omnipräsent: Ob im Haus Reemtsma/Scheerer, wo die Familie unter größter Anspannung gemeinsam mit der Polizei auf den nächsten Anruf der Geiselnehmer wartet – oder im Soundtrack des Films, in den die Band „The Notwist" ungemein clever ein bedrohliches Klingelzeichen eingewoben hat. Regisseur Hans-Christian Schmid versteht es, die Zuschauer*innen mit in eine Ausnahmesituation zu nehmen und die Anspannung in den Kinosessel zu übertragen. Und das auf allen Ebenen der audiovisuellen Klaviatur. Der Grund, der ihn zur Verfilmung des Romans von Johann Scheerer gebracht hat, ist jedoch ein anderer: „Mich hat die Familiengeschichte sofort fasziniert, die in den Stoff eingewoben ist. Wir wollten keine klassische True Crime-Geschichte erzählen, es steckt viel mehr dahinter" verrät der Regisseur, der das Drehbuch gemeinsam mit Autor Michael Gutmann schrieb.

Familienanwalt Johann Schwenn (Justus von Dohnanyi) und Ann Kathrin Scheerer (Adina Vetter) bei einem Gespräch mit den Entführern

Im Zentrum des Films steht der 13-jährige Johann Scheerer, der in quälenden 33 Tagen Geiselnahme zum ersten Mal erlebt, was wirkliche Angst bedeutet. Noch zu Beginn des Films wird das etwas angespannte und distanzierte Verhältnis zwischen Johann und seinem Vater in wenigen Szenen näher beleuchtet. Als sein Vater verschwindet und nur ein Erpresserbrief zurückbleibt, ändert sich jedoch alles. Claude Heinrich übernimmt in „Wir sind dann wohl die Angehörigen" die Rolle des Johann. Bereits in der Netflix-Serie „Dark" oder Hermine Huntgeburths „Lindenberg – Mach dein Ding" wusste der 16-jährige Berliner durch sein nuanciertes Spiel zu überzeugen. In Hans-Christian Schmids neuem Drama sind jetzt alle Kameras auf ihn gerichtet. „Wir haben uns damalige Fotos von Johann Scheerer angeschaut. Er wirkte auf mich wie ein zurückhaltender Beobachter – und genau das haben wir auch in Claude gesehen. Er hat für diese Rolle einfach schon sehr viel mitgebracht", sagt Hans-Christian Schmid.

Drehschlussfoto mit u.a. Hans-Christian Schmid (2.v.l.)

Und zu beobachten gibt es für Johann Scheerer während der Geiselnahme in den eigenen vier Wänden so einiges. Zwei Angehörigen-Betreuer der Polizei sind ständig vor Ort und verwandeln das Wohnzimmer der Familie in eine Schaltzentrale, warten auf Anrufe der Geiselnehmer und planen Geldübergaben mit der Familie. Um ein Gefühl für die damalige Situation zu bekommen, wurden vor den Dreharbeiten Interviews mit Beamt*innen geführt, die damals wirklich in den Fall involviert waren. Auch der echte Johann Scheerer war in der Anfangszeit in die Entstehung des Drehbuchs eingebunden. „Bei der Verfilmung eines realen Stoffs hat man immer eine besondere Verantwortung gegenüber den echten Personen. Man möchte ihnen und der Situation gerecht werden. Die erste Sichtung des Films gemeinsam mit der Familie war dann auch sehr emotional – und alle waren zufrieden mit dem Resultat", sagt Schmid.

Die Polizei verwandelt das Wohnzimmer der Familie in eine Schaltzentrale

Mit dem Filmfest Hamburg feiert der Film in der Stadt seine Weltpremiere, in der die gesamte Handlung spielt. Auch ein Großteil der Dreharbeiten fanden an der Elbe statt, genauer gesagt in Nienstedten, einem Stadtteil des Bezirks Hamburg Altona. Hier fand das Team das passende Haus für die Familie, das alle Anforderungen für einen Dreh erfüllte. Eigentlich sollten die Dreharbeiten bereits 2020 beginnen – durch Corona verschob sich der Dreh aber letztendlich auf März 2021, genau den Monat, in dem auch im Jahr 1996 die echte Entführung stattfand.

Eine Kulisse, die jedem Kinofan aus Hamburg bekannt vorkommen dürfte

Lief sonst alles glatt? „Während der Dreharbeiten hatten wir dann einen Corona-bedingten, zehntägigen Drehstopp und mussten uns am Ende extrem beeilen. Wir konnten das Haus nicht verlängern und mussten über Nacht alles leerräumen – normalerweise hätten wir hierfür drei Tage Zeit gehabt. Doch wir haben es geschafft", erinnert sich Hans-Christian Schmid. Auch der Film, in dem neben Claude Heinrich u.a. auch Adina Vetter, Justus von Dohnanyi, Hans Löw und Yorck Dippe zu sehen sein werden, ist mittlerweile geschafft und „ready to take off". Erster Stopp: Filmfest Hamburg. Und ab dem 3. November dann überall in den deutschen Kinos.

Credits: Filmstills: 23/5 Filmproduktion Drehschlussfoto: Gerald von Foris
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