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Meinen Hass bekommt ihr nicht

04.10.2022 | Hamburger Regisseur verfilmt Bataclan-Anschlag

Radiojournalist Antoine Leiris verliert seine Frau bei einem Anschlag in Paris

Erst Locarno, jetzt Filmfest Hamburg: Mit "Meinen Hass bekommt ihr nicht" feiert das neue Drama des Hamburger Regisseurs Kilian Riedhof seine Deutschlandpremiere an der Elbe. Riedhof erzählt darin die Geschichte des Bataclan-Anschlags aus der Sicht eines Vaters, der seine Frau bei dem Attentat verliert.

Der Terroranschlag vom 13. November 2015 im Pariser Musikclub Bataclan hat Frankreich und die Welt erschüttert. Einer von zahlreichen Hinterbliebenen der Opfer dieses Anschlags ist der Radiojournalist Antoine Leiris, er verliert seine junge Frau, die Mutter des erst 17 Monate alten gemeinsamen Sohnes Melvil. In einem bewegenden Facebook-Post nur drei Tage nach dem Anschlag hält er dem Hass der Attentäter die Liebe zu seinem Sohn und zu den Werten der westlichen Kultur entgegen. „Meinen Hass bekommt ihr nicht", lautete die Botschaft und ist Titel seines Buches, in dem er die inneren Kämpfe um Trauer, Verzweiflung und Wut schildert und wie er sich und seinen Sohn davor zu schützen versucht. Der in Hamburg lebende Drehbuchautor und Regisseur Kilian Riedhof hat diese bewegende Geschichte verfilmt. Nach der Welturaufführung beim Internationalen Filmfestival in Locarno im August, feiert der Kinofilm seine Deutschlandpremiere nun beim Filmfest Hamburg. Am 10. November startet Tobis den Film in den deutschen Kinos.

Kilian Riedhof hat bereits mit seinen Filmen „Gladbeck" und „Der Fall Barschel" inszenatorische Kraft und Feingefühl bewiesen und zahlreiche TV-Preise gewonnen. Bewegt von Antoines Buch, das eine bemerkenswerte Sensibilität und poetische Kraft besitze, entwickelt er die Geschichte zusammen mit seinen beiden Hamburger Co-Autoren Jan Braren und Marc Blöbaum zu einem Drehbuch. Mit der Berliner Produzentin Janine Jackowski von Komplizenfilm kann er Antoine Leiris von der Verfilmung überzeugen und die Rechte sichern. Die deutsch-französisch-belgische Koproduktion wurde federführend von Komplizen Film produziert.

Das Leben geht irgendwie weiter: Antoine mit seinem Sohn

Riedhof hat mit seinem erzählerischen Ansatz auf die szenische Darstellung des Anschlags verzichtet. „Was mich an Antoines Buch berührte, war die private, sehr intime, Perspektive. In ihr zeigt sich der Terrorismus in seiner schrecklichen Wirkung auf das Innenleben einer Familie", erklärt Riedhof, selbst Vater eines kleinen Kindes im Alter von Melvil: „Den Anschlag dramatisch zu nutzen, hätte bedeutet, den Tätern eine Bühne zu geben. Das wollten wir in jedem Fall vermeiden. Es war zudem der explizite Wunsch von Antoine Leiris, die Geschehnisse im Bataclan aus der Erzählung auszuklammern." Vielmehr sei es darum gegangen, den Horror jener Nacht und den Prozess der Trauer rein aus der subjektiven Sicht von Antoine zu erfahren. „Wir fragten uns: Wie kann ein Mensch ein solch furchtbares Ereignis verarbeiten? Wie begegnet er dem Hass in seinem Inneren und überwindet ihn schließlich? "

Für manch einen mag es vielleicht ungewöhnlich erscheinen, wie schnell Antoine zu solch einer Botschaft bereit ist, die sich der Wut und dem Hass verweigert. Es sei tatsächlich sehr spontan passiert, nur drei Tage nach dem Attentat. „Selbstverständlich war Antoine konfrontiert mit den Kräften des Zorns und der Verzweiflung. Ich denke, das Schreiben des Facebook-Posts wie auch seine medialen Auftritte in den Tagen danach waren für ihn eine Möglichkeit, seine eigenen negativen Gedanken und Gefühle zu zähmen, um sich selbst davor zu schützen", erklärt Riedhof. „Er stellt dem Hass die Liebe zu seinem Sohn entgegen."

Antoines Geschichte erzählt von der Suche nach einer Haltung, welche die eigenen Werte und Kultur nicht preisgibt. „Die Essenz seiner Erzählung ist für mich, dass wir unsere Beziehungen zueinander, zu unseren Partnern, Kindern, zu allem, was wir lieben, intensivieren müssen, uns unserer kulturellen Identität bewusster werden. Nur dann werden wir in den westlichen Demokratien eine Antwort auf Gewalt finden."

Die Anschläge in Paris haben tiefe Wunden geschlagen und ein nationales Trauma hinterlassen. Der Film musste dieser Gefühlslage gerecht werden. „Die Dimension des Schreckens, die sich in dieser Nacht aufgetan hat, hallt wider in den Seelen der Menschen, die zurückgelassen werden. Auch noch Jahre danach." Glücklich ist Riedhof darüber, dass sein Film von Antoine Leiris sehr gut aufgenommen wurde. Der Film wurde auf Französisch in Paris gedreht, die Innenaufnahmen entstanden in den Kölner MMC Studios. In Frankreich startet der Film landesweit am 2. November.

„Meinen Hass bekommt ihr nicht" ist zwar zunächst eine Pariser Tragödie, aber auch eine Geschichte mit europäischer Tragweite. Gewaltanschläge hat es ebenso in Brüssel und auf dem Breitscheidplatz in Berlin gegeben. Der Film ist daher auch als Dreiländer-Koproduktion finanziert worden. Beteiligt ist u.a die Filmförderung Hamburg Schleswig-Holstein. Der Regisseur und die Autoren kommen aus der Hansestadt, ebenso der Komponist Peter Hinderthür und geschnitten wurde bei Optical Art. als Sender ist u.a. der NDR mit an Bord. Mit dessen Spielfilmchef Christian Granderath verbindet Riedhof eine vertrauensvolle Zusammenarbeit seit seinem preisgekrönten Fernsehfilm „Homevideo".

Trotz des aktuellen starken Serientrends will Riedhof regelmäßig Kinofilme drehen. Mit der Studio Hamburg Produktion hat er das historische Drama „ Stella. Ein Leben" mit Paula Beer abgedreht, das sich derzeit in der Postproduktion befindet und nächstes Jahr im Kino zu sehen sein wird. Der Regisseur bekennt sich zum Kino: „Wir brauchen die Begegnung im Kino als Ort des gemeinsamen Erlebens und Versenkens in Geschichten. Wir brauchen Kino, damit diese Gesellschaft lebendig bleibt."

Credits: Komplizen Film
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