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Die Liebe zur Heimat

22.09.2020 | Kinostart "Gaza mon Amour"

Die Tragikomödie gewann den Netpac Award beim Toronto International Film Festival 2020

Eine romantische Liebesgeschichte mit skurrilen Ideen: Der Film „Gaza mon Amour" der beiden Regisseure und Zwillingsbrüder Arab und Tarzan Nasser feierte seine Deutschlandpremiere beim Filmfest Hamburg 2020 und startet am 22. Juli in den deutschen Kinos. Welche Rolle darin ein abgebrochener Penis spielt und wer alles aus Hamburg am Projekt beteiligt war, verraten die Brüder in einem Interview.

Wie seid ihr auf die eher ungewöhnliche Geschichte von "Gaza mon Amour" gekommen?

Arab und Tarzan Nasser: Die Idee zum Film kam uns im Jahr 2013, als wir die Geschichte eines Fischers hörten, der eine echte Statue des Gottes Apollo in Mittelmeer vor Gaza gefunden hatte – die anschließend von der Regierung beschlagnahmt wurde. Wir fingen dann an, eine Liebesgeschichte drum herum zu schreiben.

Was hat es mit dem erigierten Penis von Apollo auf sich?

Arab und Tarzan Nasser: Apollo, der Gott der Liebe, Musik, Schönheit und Poetik, kommt aus dem Meer und trifft auf den einfachen Fischer Issa, der jedoch ähnliche Eigenschaften hat wie Apollo. Der erigierte Penis des Gottes, der ein Symbol von Stärke und Autorität ist, wird im Film dann aus Versehen von Issa abgebrochen – eine Metapher für die tägliche Unterdrückung in sexueller, sozialer, politischer und ökonomischer Hinsicht der Menschen in Gaza.

Die Nasser-Brüder am Set mit Hauptdarsteller Salim Daw

Wo habt ihr den Film gedreht?

Arab und Tarzan Nasser: Wir haben komplett in Jordanien gedreht, lediglich die Szene am Wasser und Hafen sind in Tavira im Süden Portugals entstanden. Es ist nicht gerade einfach, einen großen Film in Gaza zu drehen. Besonders die Israel-Blockade und Schließung des Gaza-Streifens sind problematisch – und natürlich auch die Zensur durch die Regierung.

Trailer "Gaza mon Amour"

Wie ist es zu der Zusammenarbeit mit der Hamburger Firma Riva Filmproduktion gekommen? War sonst jemand aus Hamburg an dem Film beteiligt?

Arab und Tarzan Nasser: Die Zusammenarbeit wurde von unseren großartigen Produzent*innen Marie Legrand und Rani Massalha eingefädelt, die bereits für den Film "Sibel" mit Riva zusammengearbeitet haben. Das Soundteam und Teile des Kamerateams waren aus Hamburg, außerdem ein Großteil des Equipments. Für den Soundtrack haben wir mit Andre Matthias zusammengearbeitet – Color Grading und VFX sind ebenfalls in Hamburg bei Post Republic entstanden.

Die Story

Gaza, heute: Issa, um die 60, lebt als Fischer im Hafen von Gaza. Heimlich ist er in die geschiedene Marktverkäuferin Siham (Hiam Abbass) verliebt. Eines Tages findet Issa in seinem Fischernetz eine Bronze-Statue des olympischen Gottes Apollo mit einem imposanten, erigierten Penis. Dieser Fund ist nur der Anfang vieler Scherereien. Denn der Gott der männlichen Schönheit wirbelt in der Folge Issas Leben und das der Menschen um ihn herum gehörig auf – und stellt sogar die heuchlerische und rückständige Regierung Gazas auf den Prüfstand.

Es klingt so, als hättet ihr ein großes Augenmerk auf die Musik gelegt. Manchmal hört es sich wie ein ganzes Orchester an. Erzählt uns ein bisschen mehr darüber.

Arab und Tarzan Nasser: Als wir das Drehbuch geschrieben haben, dachten wir bereits an einen Walzer-Rhythmus. Das passte einfach sehr gut zu Issas Art, zur Melancholie der ganzen Situation, zur Liebesgeschichte und zur Romantik – außerdem gibt es der Geschichte einen universellen Charakter. Einige andere Songs von zum Beispiel Julio Iglesias oder ein paar berühmten arabischen Sängern unterstreichen Issas romantischen Lebensstil. Mit dem deutschen Komponisten Andre Matthias haben wir uns dann durch den Film hindurchgearbeitet, er komponiert mit viel Liebe zum Detail und macht jeden Musikmoment zu etwas Besonderem.

Fischer Issa mit dem Fang seines Lebens, der antiken Apollo-Figur

Ihr habt in den letzten Jahren in unterschiedlichen Ländern gewohnt – aktuell lebt ihr in Frankreich. Gibt es einen Ort außerhalb von Gaza, an dem ihr euch zu Hause gefühlt habt?

Arab und Tarzan Nasser: Es gibt keinen Ort wie den, an dem du geboren wurdest. Für uns gibt es keine andere Heimat als Gaza.

"Gaza mon Amour" feierte seine Premiere mit den Regisseuren und Hauptdarstellern in der Sektion »Orizzonti in Venedig

„Gaza mon Amour" oder „Last Chance for love": Welcher Titel passt eurer Meinung nach besser zum Film?

Arab und Tarzan Nasser: „Last Chance for Love" war der Arbeitstitel des Films, bis wir etwas gefunden hatten, das den Kern widerspiegelt. „Gaza mon Amour" ist ein sehr passender Titel – vielleicht weil die Einfachheit der Worte viel der Ästhetik, Sinnlichkeit und der intellektuellen Dimensionen einfängt, die wir rüberbringen wollten. Dabei wird dem Zuschauer keine bestimmte Sichtweise aufgezwängt. Außer vielleicht unsere Liebe zu Gaza.

Issa nimmt die Figur mit zu sich nach Hause

Die Hauptfigur Issa, die von Salim Daw gespielt wird, kommt sehr unkonventionell rüber für einen alten Mann, der in Palästina lebt. Er betet nicht, lebt allein und mag die Polizei und das ganze Regime nicht sonderlich. Wie viel von euch beiden steckt in seiner Figur?

Arab und Tarzan Nasser: Die Figur von Issa, dem Fischer, wurde nach dem Vorbild vieler einfacher Männer aus Gaza geschrieben. Männer, die versuchen, ihre Träume und Ambitionen in die Tat umzusetzen. Sie wollen Frieden und Liebe, nicht Krieg oder Vergeltung. Der Charakter wurde auch sehr von unserem Vater inspiriert: Ein starker Romantiker mit dem Wunsch nach Liebe und Frieden. Viele der Details kommen jedoch auch von uns, dem, was wir sind. Das haben wir jedoch erst realisiert, nachdem der Film bereits fertig war.

Siham (Hiam Abbass) und Issa (Salim Daw) bei den ersten zaghaften Annäherungsversuchen

Wir der Film auch in Gaza im Kino laufen?

Arab und Tarzan Nasser: Das hoffen wir zumindest...

Credits: Filmstills: Alamode
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